Den Herausforderungen der beruflichen Bildung lösungsorientiert begegnen und Schule an der Stelle neu denken: Knapp ein Jahr, nachdem der erste Thinktank zur “BBS der Zukunft” mit zukunftorientierten Visionen endete, fand jetzt in Hannover die Folgeveranstaltung statt. Rund 20 Vertreter:innen aus Schulen, Schulleitung, Studienseminaren, Universität, Wirtschaftsförderung, Betrieben sowie Schulverwaltung trafen sich, um das Konzept einer modernen, KI-gestützten Berufsschule weiterzuentwickeln. Hier das Ergebnis:
- Ausgangspunkt und Zielsetzung des ThinkTanks
Der zweite ThinkTank zur BBS der Zukunft hatte die Aufgabe, das Konzept einer modernen, KI-gestützten berufsbildenden Schule weiterzuentwickeln und erstmals nicht mehr als Brainhouse247-Modell, sondern als integralen Bestandteil des geplanten OneTechCampus in Garbsen zu denken. Der OneTechCampus ist ein Technologie- und Innovationsstandort der Region Hannover, der u. a. Makerspaces, Lernfabriken, Coworking-Strukturen und ein Zentrum für neues Lernen umfassen soll. Damit verschiebt sich die Perspektive: Die BBS der Zukunft soll realer, physischer Bestandteil eines regionalen Innovationsökosystems werden – eng verbunden mit Universität, Betrieben, Start-ups und dem Studienseminar. - Einstieg: Videoimpuls und Reaktionen
Ein KI-generiertes Zukunftsvideo diente als Einstieg und sorgte für lebhafte Reaktionen – eine Mischung aus Überraschung, Skepsis und Neugier („Kies“). Es verstärkte den Eindruck, wie radikal sich Schule in den kommenden Jahren verändern wird. - Vorstellung des OneTechCampus durch die Wirtschaftsförderung
Dr. Oliver Brandt erläuterte den aktuellen Planungsstand des OneTechCampus:
- Sieben Gebäudeeinheiten, 62.000 m² Bruttogeschossfläche
- Baubeginn ab Q2/3 2026
- Schwerpunkte: Makerspaces, Lernfabriken, Techfactory, Zentrum für neues Lernen
- Fokus auf projektbasiertes, kollaboratives Arbeiten mit realen Problemstellungen in gemischten Teams
Die Teilnehmenden sahen darin einen hochattraktiven Standort für eine neue Form berufsbildender Schule.
- Diskussion: Rolle der BBS der Zukunft am OneTechCampus
In der Gruppe bestand schnell Einigkeit über zentrale Punkte:
✅ Die BBS der Zukunft soll ein eigenständiger, zentraler Bestandteil des Campus sein. Nicht lediglich ein Angebot oder Projektlabor für bestehende Schulen.
✅ Sie soll schrittweise wachsen:
- Startphase: Verzahnung bestehender Schulen, Projekte vor Ort
- Zielperspektive: Eine eigenständige Landesberufsschule, die Ausbildung, Weiterbildung und Lehrkräftebildung integriert.
✅ Öffentliche Trägerschaft mit PPP-Elementen bevorzugt Alle Beteiligten sprachen sich klar gegen eine private Trägerschaft aus. Allerdings sollen Unternehmen intensiv beteiligt sein.
- Weiterentwicklung der pädagogischen Leitidee
5.1 Demonstration des KI-Demonstrators an der BBS Burgdorf Der Doktorand Dren Fazlija (L3S) zeigte den aktuellen Stand des KI-Systems, das als schulinterner RAG-Chatbot läuft. Eike Ehlers beschrieb den Prozess der Integration schulischer Materialien. Bezug zu Inhalten des Protokolls: KI auf niedersächsischen Servern, Materialpipeline, Pilotstatus Einschätzungen der Gruppe:
- Gute Basis, aber nur ein Einstieg – „noch kein finales System“
- Denkbar ist später auch eine kommerzielle Lösung
- Wichtig: Balance zwischen Individualisierung und pädagogischer Steuerung
5.2 Bezug zu Hattie Die Gruppe diskutierte Hatties Warnung vor „übertriebener Individualisierung“ und stellte klar: Die BBS der Zukunft setzt nicht auf Alleinarbeit, sondern auf strukturierte, teamorientierte Projekte mit klarer Lehrerführung. Dies entspricht Hatties Forderungen nach hohem Anspruch, Feedbackkultur und pädagogischer Führung.
- Didaktisches Rahmenmodell
Die Diskussion führte zu einem weitgehend einhelligen Bild eines modernen, KI-gestützten pädagogischen Designs:6.1 Individuelle Lernpläne auf Basis realer Projekte
- Lernende erhalten einen individuellen Lernpfad
- Projekte bilden eine Perlenkette aufeinander aufbauender Einheiten
- Abdeckung von Rahmenlehrplänen + aktuellen Entwicklungen
6.2 Betriebliche Individualisierung
- Unternehmen sollen eigene Arbeitsprozesse über:
- digitale Berichtshefte
- Aufgabenpools
- regionale Datenbanken
einbringen können. Vergleich zu Österreich: Betriebsdatenbank als regionales Matching- und Lernplanungssystem.
6.3 Rolle der Lehrkräfte
- Lehrkräfte werden zu Lernbegleiter:innen, Coaches und Diagnostiker:innen
- KI liefert Daten zu Lernfortschritten, Problemen und Empfehlungen
- Lehrkräfte bleiben zentrale Lernarchitekten (vgl. Hattie)
- 6.4 Regionale Datenbank Wie im “Weißen Elefanten” vorgeschlagen: Eine regionale Plattform mit Unternehmens-, Hochschul- und Bildungsdaten zur Unterstützung von:
- Lernpfadgenerierung
- Matching-Prozessen
- Projektfindung
- Kooperationen
- Prüfungen, Dokumentation und Kompetenznachweise
Die Kammerprüfungen („heimlicher Lehrplan“) müssen weiterhin berücksichtigt werden. Die Denkweise des ThinkTanks:
- Prüfungen dürfen Innovation nicht bremsen, müssen aber anschlussfähig bleiben
- Projektdokumentationen bilden Kompetenzfortschritte ab
- KI unterstützt formative Diagnostik, nicht summative Prüfungen
- Die BBS der Zukunft als Ort der Lehrkräftebildung
Ein zentraler neuer Gedanke: Die BBS der Zukunft soll alle drei Phasen der Lehrkräftebildung integrieren:
Studium (Universität)
Vorbereitungsdienst (Studienseminar)
Fortbildung (aktive Lehrkräfte)
Damit würde der Campus ein Leuchtturmprojekt weit über Niedersachsen hinaus – ein Ansatz, der sogar die Nürnberger WiPäd-Trial-Modelle übertrifft. - Räumliche und kulturelle Anforderungen
Ein bemerkenswerter Punkt in der Diskussion: Eine zentrale Küche als kommunikativer Mittelpunkt der Schule. Begründung: Orte der informellen Begegnung sind essenziell für eine neue Lernkultur. Weitere Anforderungen (aus dem Weißer Elefant-Ansatz):
- offene Lernlandschaften
- projektorientierte Räume
- Lernfabriken und Makerspaces
- flexible Coaching-Zonen
- Feedbackrunde: Ergebnisse und politische Implikationen
Die Feedbackrunde ergab eine nahezu vollständige Übereinstimmung bei:
- Notwendigkeit eines echten Landesprojekts
- Starkem politischen Rückhalt
- Klarem Bekenntnis zur öffentlichen Trägerschaft
- Einmaliger Chance für Region Hannover und das Land Niedersachsen
- Bedeutung des Campus als wirtschaftspolitisches Signal (Fachkräfte, Innovation, Standortprofil)
Über die Universität Hannover wird eine Bachelor-/Masterarbeit ausgelobt, um das Marketingkonzept für die Idee zu entwickeln und die Reichweite zu erhöhen.
- Fazit
Der ThinkTank II hat gezeigt:
✅ Der OneTechCampus ist der ideale Standort für die BBS der Zukunft.
✅ Pädagogik, KI, Raum und Trägerschaft lassen sich zu einem kohärenten Gesamtkonzept verbinden.
✅ Der politische Moment ist günstig – und das Projekt hätte Strahlkraft weit über Niedersachsen hinaus.
✅ Die Beteiligten sind entschlossen – jetzt braucht es Ressourcen und politischen Willen.


